Text von Kirche-koeln.de
Die Leidensgeschichte Jesu an fünf markanten Orten erzählt – dazu Zeichen gegen Unterdrückung und Willkür
Verurteilung, Ausgrenzung, Leid: Das sind zentrale Aspekte der Leidensgeschichte Jesu. Aber passt diese über 2000 Jahre alte Erzählung auch wirklich noch ins Heute? Junge Gläubige bekamen dazu auf dem diesjährigen Kölner Jugendkreuzweg von Katholischer Jugendagentur und Evangelischer Jugend Antworten.
Vor der Eisdiele ist eine Warteschlange. 15 Menschen, alle in T-Shirt und kurzer Hose, warten dicht gedrängt vor der Ausgabetheke. Alle? Nein, es gibt eine große Lücke. Und zwar hinter dem Mann in der Schlange, der anders gekleidet ist als die anderen, mit langer Hose, dickem Pulli und noch dickerer Weste. Der Wartende hinter ihm hält gebührend Abstand. Der zweite Blick zeigt: Die Lücke ist gefüllt – mit Jesus, der als Graffito auf die Wand im Hintergrund gesprayt ist.
Diese Szene war auf einem der Impulsbilder zu sehen, einem wichtigen Bestandteil des ökumenischen Jugendkreuzweges in diesem Jahr. An jeder der fünf Stationen an markanten Orten in der Kölner Innenstadt gab ein Bild im Street-Art-Style einen Denkanstoß zu Aspekten der Passionsgeschichte: Verurteilung, Ausgrenzung, Hilfe, Leid und Rückkehr. Das dazugehörige Motto lautete „#bei mir“, denn auf den Bildern war Jesus inmitten der Alltagswelt Jugendlicher zu sehen. Das Besondere dabei: Die Bilder zeigten auch Jugendliche aus Köln.
Erste Station war die Antoniterkirche – mit dem oben beschriebenen Impulsbild. Zunächst wurde ein Blick in die Bibel geworfen: „Pilates sprach zu ihnen: Was soll ich dann machen mit Jesus, von dem gesagt wird, er sei Christus? Sie sprachen alle: Lass ihn kreuzigen!“. So beschreibt der Evangelist Matthäus die Szene von der Verurteilung Jesu. Auch wenn es oft bei weitem nicht so extrem sei – im Alltag verurteile man auch immer wieder Menschen, gab das ökumenische Organisationsteam zu bedenken. Manchmal nur, weil sie anders angezogen seien, wie der im Sommer dick eingepackte Mann auf dem Street-Art-Foto. Von evangelischer Seite hatten diese Station Gemeindepädagoge Lutz Greulich, Referentin Ute Verch und Pfarrer Klaus Völkl vorbereitet.
Unter Begleitung der Polizei zogen die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Jugendkreuzweges weiter zum EL-DE-Haus. Der thematische Schwerpunkt dort: „verstoßen“. Der Wegpunkt war freilich nicht zufällig gewählt – schließlich war das EL-DE-Haus Schauplatz der wohl größten politischen und gesellschaftlichen Ausgrenzung und Verstoßung der jüngeren Zeit in Köln. Das Gebäude war von 1935 bis 1945 Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), der politischen Polizei des nationalsozialistischen Regimes. Im Innenhof des Gebäudes wurden viele Menschen, vor allem Juden, hingerichtet. An diesem Ort der extremsten Form der Ausgrenzung schlug Vera Polch die Brücke ins Heute. „Wir brauchen immer wieder Mut und Courage, damit wir Leute nicht im Stich lassen“, ermutigte Vera Polch, Mitglied des ökumenischen Organisationsteams, die Jugendlichen. Besonders dann, wenn ein Mensch gerade „uncool“ oder nicht „in“ sei. Oder wenn er gemobbt werde. „Hilf uns, reiß uns die Augen auf, damit wir sehen, wie wir uns einsetzen können“, beteten die Jugendlichen.
Weiter ging es zum Theo-Burauen-Platz, unweit des Rathauses. Hier sprach zum Stationsthema „helfen“ Michael Paetzold. Er ist Vorsitzender des Sozialausschusses der Stadt Köln und in der katholischen Gemeinde Höhenberg/Vingst aktiv. „Als Christen sollen wir Gottes Geist verbreiten“, sagte er. Deshalb setze er sich dafür ein, dass die Stadt sozialer werde. Persönlich könne jeder geben, was er habe: „Das kann, wenn die Mittel da sind, eine Spende sein, das kann aber auch einfach Zeit sein“, meinte Paetzold.
Inzwischen ist es dunkel geworden. Die Atmosphäre passte zur Station „Leiden“ auf dem Lichhof am Heumarkt. Aus der Matthäuspassion wird vorgetragen wie Jesus am Kreuz hängt und schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“. Manchmal stelle man sich als Christ genau diese Frage, sagte Tobias Dieckmeyer vom Organisationsteam, das diese Station vorbereitet hatte. Die Antwort gebe die Szene selbst: „Gott ist im Leiden, er kennt auch unser Leiden, und er leidet mit uns“, erklärte er. Dieses Wissen könne helfen, das eigene Leid bei ihm abzulegen. Der Jugendkreuzweg endete am jugendpastoralen Zentrum CRUX.
Im sechsten Jahr gab es das Angebot in Köln, organisiert von der Evangelischen Jugend in Köln und Umgebung und der Katholischen Jugendagentur. Jugendkreuzwege werden am Freitag vor Palmsonntag von Jugendlichen in vielen deutschen Städten begangen. Die Stationsbilder sind größtenteils in Köln in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Bernd Arnold entstanden. Mit dem Kölner Jugendkreuzweg wollten die Veranstalter selbst ein Zeichen setzen: gegen Unterdrückung und Verfolgung, gegen Hass und Willkür.
Text: Julius G. Fiedler